Das New Work Dilemma: wenn Einsamkeit schmerzt

by | 13 Sep 2018 | Karriere, Leadership

In meinen Coachings zu beruflichen Wendepunkten fällt immer wieder ein einschneidender Satz: „Wissen Sie, außer mit Ihnen, kann ich mit niemandem darüber sprechen!“. Das Dilemma der sogenannten „Working Nomads bzw. Digital Nomads“ wird immer auffälliger. New Work ist zwar angesagt, doch scheinbar begünstigt es den Einsamkeitsschmerz. Einerseits sind die modernen Nomaden erfolgreich, haben es beruflich nach ganz oben geschafft oder werden um ihre Unabhängigkeit beneidet. Auch sind sie als Experten gefragt, weil sie als Pioniere in unserer Berufswelt das tun, was sich viele noch gar nicht trauen. Doch andererseits fühlen sie sich auf sozialem Posten unendlich alleine, vermissen echtes Interesse, Freundschaft und tiefe Gespräche mit nahestehenden Menschen. Wer keine verlässlichen und stabilen Beziehungen hat, gerät schneller als ihm lieb ist ins soziale Abseits. Die psychischen und physischen Folgen sind schwerwiegend. Lesen Sie in diesem Blogartikel, was die Top-5-Gründe für Einsamkeit sind, was man dagegen tun kann und welche vielfältigen Möglichkeiten es gibt, sich an einem neuen Ort schnell ein soziales Netzwerk aufzubauen.

Das was wir mit Nomadentum als erstes verbinden, sind karge und menschenleere Wüstenlandschaften, die schlechte Rahmenbedingungen für ein menschenwürdiges Leben bieten.

Unter diesen herausfordernden klimatischen Bedingungen haben die Einwohner der großen Ozeane aus Sand einfach aus der Not die Tugend gemacht. Sie arbeiten und reisen in einem, denn Ackerbau und Sesshaftigkeit sind in diesen Teilen der Erde einfach nicht umsetzbar.

New Work – Arbeiten und Reisen gehören zusammen

Für Nomaden gehören deshalb das Arbeiten und Reisen zwingend zusammen. In unserem Alltag ist genau dieser Zusammenhang unter dem Überbegriff „New Work“ immer häufiger anzutreffen, doch als „normal“ gilt das deshalb noch lange nicht – und stellt damit die Nomaden der Arbeitswelt vor neue persönliche Herausforderungen.

Die heutigen Working Nomads und Digital Nomads suchen sich die Verbindung zwischen Arbeiten und Reisen bewusst selbst aus, eben ganz anders als z.B. die Berber, die gezwungen sind, auf dem Rücken eines Kamels durch die Wüste zu ziehen.

Die Nomaden unserer modernen Arbeitswelt verlassen die alte Heimat,

  • um dort hin zu reisen, wo sie bessere Arbeitsbedingungen/-möglichkeiten vorfinden (Working Nomads) oder
  • um während des Reisens an immer neuen Orten zu arbeiten, weil man nicht mehr zwingend sesshaft sein muss, dank der durch die digitalen Möglichkeiten entstandenen neuen Freiheit (Digital Nomads).

New Work – Dilemma der Vereinsamung

Eines haben die echten Nomaden aus der Wüste mit denen aus unserer modernen Arbeitswelt gemeinsam: Um das Nomadenleben zu überleben, bedarf es verlässlicher und stabiler Beziehungen. Der echte Nomade zieht deshalb nur als Teil einer ganzen Karawane ins Ungewisse.

Diejenigen, die es aus oben genannten Gründen an andere Plätze zieht, machen sich in der Regel alleine auf den Weg, was bedeutet, dass sie am neuen Ort angekommen, sehr schnell ein soziales Netzwerk aufbauen sollten, um nicht das Dilemma der Vereinsamung erleben zu müssen.

Der Entschluss, als Working oder Digital Nomad das (Berufs-)Leben zu verändern, wird meist gut überlegt, doch nach all den Kundengesprächen, die ich mit Working und Digital Nomads geführt habe, stellt sich für mich die Frage, ob denn den Handlungsreisenden wirklich alle auf sie zukommenden Konsequenzen bewusst waren? Denn wenn der Schritt erst einmal in die Realität umgesetzt wird, bestimmen vor allem die sozialen Werte eines Menschen, wie sich dieser in der Fremde zurechtfindet.

Nicht selten stehen diese Menschen als Folge ihrer Entscheidung auf verlorenem sozialen Posten.

Top-5-Gründe für Einsamkeit

In einer im Frühjahr 2017 repräsentativ durchgeführten Umfrage des Markforschungsinstitutes SPLENDID RESEARCH wurden 1.039 Personen zwischen 18 und 70 Jahren online zum Thema Einsamkeit befragt ( hier geht es zur kompletten Studie).

Vier von fünf Deutschen fühlen sich demnach zumindest manchmal einsam. Die Studie macht auch deutlich, dass die Häufigkeit, mit der das Gefühl der Einsamkeit empfunden wird, vor allem von der Lebenssituation und der Persönlichkeit beeinflusst wird. Digitale Medien spielen übrigens nur eine untergeordnete Rolle.

Die folgenden Top-5-Gründe für Einsamkeit wurden ermittelt:

  1. 55 % akute Lebensumstände (Arbeit, Umzug, Erkrankung, Trennung, etc.)
  2. 49 % spontane Stimmung/aktuelle Laune
  3. 36 % Selbstkritik (liegt an ihnen selbst/am eigenen Charakter)
  4. 27 % Digitalisierung der Gesellschaft (E-Mails/Smartphones/Online-Shopping/unpersönliche Kommunikation)
  5. 15 % externe Verantwortung (andere sind schuld)

Mangel an sozialen Werten als Grund für Einsamkeit

Ich stelle die steile These auf, dass jene, die sich schwer tun, sozial in der Fremde anzukommen, also stabile neue Kontakte zu knüpfen, häufig jene sind, die wenig bis keine ausgeprägten sozialen Werte an den neuen Ort ihres aktuellen Lebensmittelpunkts mitbringen.

Auslöser der für mich sichtbaren Armut an sozialen Werten ist zunächst, dass der Kontakt zur eigenen Person nicht bis kaum vorhanden ist. Daraus resultiert, dass auch der Kontakt zur Außenwelt verarmt.

Wenn es viel ist, dann telefonieren diese Menschen einmal pro Monat mit der Mutter, bringen sich selten bis nie auf den sozialen Plattformen wie Facebook, LinkedIn oder Twitter ein und verlassen selbst in der Freizeit die eigenen vier Wände nicht, um anderen bewusst zu begegnen.

Es wird also wenig oder kaum eine Anstrengung unternommen, auf andere Menschen zuzugehen, um aktiv Kontakte in der Außenwelt zu knüpfen und zu pflegen.

Die wichtigsten sozialen Werte, die ein intaktes und erfüllendes soziales Umfeld ermöglichen, lauten:

  • (Eigen-)Verantwortung
  • Respekt
  • Empathie
  • Toleranz
  • Solidarität
  • Fürsorge
  • Demut
  • Wertschätzung

Das schmerzhafte Gefühl – Einsamkeit als Wegweiser

In die gleiche Kerbe schlägt eine Psychologin Namens Dr. Eva Wlodarek. Sie ist Autorin eines lesenswerten Buches mit dem Titel „Einsam. Vom mutigen Umgang mit einem schmerzhaften Gefühl“ (hier geht’s zum Buch).

Ein Zitat aus ihrem Buch zeigt, wie wichtig die eigene Persönlichkeitsentwicklung ist, um mit anderen zu interagieren und damit das Dilemma der Vereinsamung gar nicht erst aufkommen muss:

„Einsamkeit lässt sich umwandeln, indem man sie als Wegweiser benutzt. Sie deutet nämlich darauf hin, dass sich innerlich oder äußerlich etwas verändern muss, etwa, dass wir offener werden oder mehr ausgehen.

Wenn uns das gelingt, überwinden wir nicht nur die Einsamkeit, sondern sind als Persönlichkeit sogar an ihr gewachsen. Wichtig ist, dass man nicht darauf wartet, von anderen aus dem isolierten Zustand erlöst zu werden, sondern selbst die Verantwortung übernimmt.

Dabei hilft ein konkreter Plan: Zunächst formulieren, was genau man möchte – zum Beispiel eine glückliche Beziehung, einen Freundeskreis, Begleitung für ein Hobby – und dann konsequent an der Umsetzung arbeiten, ähnlich wie für ein Projekt im Job.

Ein weiterer Tipp: Geben Sie zuerst, was Sie haben möchten, seien es Einladungen oder Zuwendung. Das erhöht die Chance, es auch selbst zu bekommen.“

Persönlichkeitswachstum ist die Formel gegen Vereinsamung, denn nur wer innerlich reich an sozialen Fertigkeiten ist, kann diese auch äußerlich im direkten Umgang mit seinen Mitmenschen zur Anwendung bringen. Der Impact auf die eigene Entwicklung ist enorm und vergrößert den Erfolg auch in beruflicher Hinsicht, da alle Geschäfte, auch die Online-Geschäfte, nun einmal von Mensch zu Mensch gemacht werden.

Wenn soziale Werte fehlen oder unterentwickelt sind, ist eine bewusste Gegensteuerung durch die Werteentwicklung jederzeit möglich, die beispielsweise mit der Unterstützung eines Werte-Coachs wie mir oder eines Werte-Therapeuten umsetzbar ist.

Fachliche Kompetenz muss Hand in Hand mit sozialer Kompetenz gehen

In unserem Ausbildungssystem wird leider sehr einseitig auf die Ausprägung der fachlichen Kompetenz Wert gelegt. Wer allerdings die Entwicklung des Herzens, also die Sozialkompetenz nicht bereits von klein auf lernt, wird im späteren Leben große Integrations- und Kommunikationsdefizite erleben. Die gute Nachricht: Es ist nie zu spät, um soziale Werte für ein ausgewogenes (Berufs-)Leben zu entwickeln.

Meine oben aufgestellte steile These unterstützt die Tatsache, dass Einsamkeit mit den persönlichen Eigenschaften eines Menschen eng zusammenhängt.

Dies wird an folgendem Studienergebnis offensichtlich: Die sogenannte Splendid-Research-Studie, die ich bereits oben erwähnt habe, kommt zu dem Schluss, dass ca. 30 Prozent der Menschen zu den sogenannten Extrovertierten zählen.

Dieser Gruppe fällt es leicht, mit anderen ins Gespräch zu kommen und Anschluss zu finden. Hier gibt es sieben von zehn Personen, die sich nie oder nur selten einsam fühlen.

In der Gruppe der sogenannten Introvertierten (28 Prozent) sind es hingegen nur vier von zehn Personen, die gar nicht oder kaum Einsamkeitsgefühle entwickeln.

Selbstverständlich ist es Unsinn zu glauben, dass aus einem Introvertierten mit viel Übung bald ein Extrovertierter würde, doch eine Verbesserung hin zu einem offeneren Menschen ist immer erreichbar und auch sehr empfehlenswert, um selbst nicht das Dilemma der Vereinsamung mit all seinen negativen Folgen erleiden zu müssen.

Fremde bleiben fremd

Die Großstadt sorgt aufgrund ihrer Anonymität hervorragend dafür, dass auch zukünftig Fremde einander fremd bleiben. Doch für das Dilemma der Working Nomads und Digital Nomads darf diese nicht verantwortlich gemacht werden.

Das Gefühl von Einsamkeit ist ein innerer Prozess, der die Zustände mit jedem weiteren isolierten Tag pathologisch werden lässt. Je passiver wir uns geben, desto mehr lassen wir bewusst soziale Möglichkeiten aus oder vermeiden sie sogar.

Die Großstadt begünstigt, weil sie so ist wie sie ist, sicherlich das Einsamkeitsgefühl, doch der Schlüssel zu Kontakten ist die eigene Aktivität und Initiative, um zu anderen Menschen Kontaktflächen und damit Reibungswärme herzustellen.

Social Start-Ups machen aus der Einsamkeit ein funktionierendes Geschäftsmodell

Aufgrund der starken Vereinsamungstendenzen in unserer Gesellschaft haben sich übrigens findige Social-Start-Up-Gründer genau dieses Dilemmas angenommen.

Ihr Geschäftsmodell basiert auf der Vermittlung von Menschen aus der Nachbarschaft und den damit zusammenhängenden sozialen Austauschmöglichkeiten, die nach Lust und Laune zu stabilen Freundschaften ausgebaut werden können.

Ich habe hier drei der gängigsten digitalen Nachbarschafts- Plattformen für Sie aufgelistet. Probieren Sie es doch einfach einmal in Ihrer direkten Umgebung aus, auf andere Menschen zuzugehen und so aktiv ins Tun zu kommen:

https://lokalportal.de/

https://nachbarschaft.net/

https://nebenan.de/

Gesundheitliche Folgen der Vereinsamung

Die aktive Bemühung um ein lebendiges soziales Umfeld stellt schon aus dem präventiven Gedanken heraus eine wichtige Investition in die eigene Gesundheit dar.

Laut einem Untersuchungsbericht aus England sei die Einsamkeit übrigens genauso schädlich für die Gesundheit, wie das Rauchen von täglich 15 Zigaretten.

Der Psychiater Martin Spitzer geht sogar so weit zu behaupten, dass die Einsamkeit als Todesursache Nummer eins in den westlichen Ländern einzustufen sei.

Eine neue amerikanische Studie (2017) zeigt auf, dass bei einsamen Menschen das Risiko an Altersdemenz zu erkranken, um das Doppelte ansteige.

Da dieses Gesellschaftsthema in den folgenden Jahren an Bedeutung zunehmen wird und bei einer vergreisenden Bevölkerung vor allem alte Menschen betrifft, hat sich jetzt auch die Politik dieses Dilemmas angenommen. Lesen Sie unter diesem Link, wie der sozialen Isolation systematisch von der Politik aus begegnet werden soll.

Raus aus der Einsamkeitsfalle

Jeder von uns hat sich sicherlich schon einmal einsam gefühlt und daher wissen wir genau, dass es ein verdammt unangenehmes Gefühl ist. Es kann unseren Blutdruck erhöhen, uns den Schlaf rauben und das Immunsystem ganz schön durcheinanderbringen.

Besser, wir steuern schon vor all diesen aufkommenden physischen und psychischen Symptomen gegen. Sich um ein gutes soziales Umfeld zu Bemühen bedarf zwar einer nachhaltigen Anstrengung – aber es gibt vielfältige Möglichkeiten, aktiv zu werden.

Und wenn Sie den ersten Schritt getan haben, werden Sie merken, dass Sie in sozialer Interaktion geübter werden und diese Ihnen zunehmend leichter fallen wird.

Zu den bereits genannten Möglichkeiten soll die untenstehende Liste Ihnen einen ersten Anhaltspunkt liefern, wie Sie ganz nach Ihren Interessen neue Kontakte knüpfen können.

Vergessen Sie dabei nie: Interessen sind Hinweisgeber auf Werte. So lernen Sie gleich Menschen kennen, die Ihren Werten hinsichtlich der gleichen Interessen ähnlich sind. Gemeinsamkeiten schweißen zusammen, bilden Vertrauen und verschaffen Ihnen schnell die Möglichkeit, unkompliziert ins Gespräch zu kommen.

Sollte Ihnen zum Beispiel der Einstieg in ein erstes unverfängliches Gespräch sehr schwerfallen, überlegen Sie sich im Voraus, wie Sie sich solch einen Gesprächsablauf vorstellen, und dann üben Sie diesen Schritt für Schritt einfach vorab mit Ihrem eigenen Spiegelbild. Ich wünsche Ihnen schon jetzt viel Freude beim Auf- und Ausbau Ihres sozialen Netzwerkes.

Ein bunter Strauß von Kontakt-Möglichkeiten

Folgende unvollständige Ideensammlung bringt Sie auf den Geschmack: Es gibt viele unterschiedliche Möglichkeiten und Aktivitäten, um neue Kontakte zu knüpfen. Haben Sie schon einmal an diese gedacht (Links bitte anklicken):

Die folgenden Möglichkeiten wären Ihnen bestimmt zuerst eingefallen. Das sind die üblichen Verdächtigen, um mit anderen in Kontakt zu kommen:

  • Volkshochschule
  • Sportvereine, Tanzschulen und Alpenverein
  • Fitnesscenter
  • Schwimmbäder
  • Wellness, Day Spa
  • Chöre, Musikschulen und Jamgruppen
  • Büro- oder Coworking-Kollegen
  • Nachbarn im eigenen Haus
  • Kontaktvermittlung zu Freunden am neuen Ort, die mit den eigenen Freunden aus der alten Heimat bekannt sind
  • Gruppen für Zugezogene auf den Social-Media-Plattformen wie Facebook etc.

Und noch vieles mehr….

Gemeinsam gelingt das (Berufs-)Leben leichter und wo ein neuer Kontakt entsteht, befinden sich dahinter noch viele weitere, die es wert sind, entdeckt zu werden.

Sollten Sie nun den Eindruck haben, alleine diesen Weg ins Ungewisse nicht gehen zu können, weil Ihnen die geeigneten Werkzeuge oder die Richtung fehlen, oder weil Sie schneller vorankommen wollen, stehe ich Ihnen selbstverständlich gerne zur Seite. Gemeinsam bilden wir für Sie eine stabile Karawane in Richtung sozialer Kontaktfähigkeit, damit bei Ihnen das Einsamkeitsgefühl keine Chance mehr hat.

Es ist noch nie ein Meister vom Himmel gefallen, lassen Sie sich deshalb inspirieren – und einmal von sich selbst überraschen.

Ich bin nur einen Mausklick oder einen Telefonanruf weit von Ihnen entfernt.

Mit inspirierenden Grüßen aus München

Ihre Franziska Ambacher

changeify

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